Rita Lazzaro
In meinem persönlichen Leben setze ich mich seit Jahrzehnten für den Schutz unseres Planeten ein, ich habe meine Gewohnheiten, Ernährungstraditionen und meinen Lebensstil geändert, was sich unweigerlich auf meine künstlerische Tätigkeit ausgewirkt hat. Durch meine Arbeit, die an die Verantwortung der heutigen gegenüber den künftigen Generationen appelliert, habe ich einen neuen Dialog über unsere Wahrnehmung der Umwelt angestoßen und mich mit der Macht der Natur auseinandergesetzt.
Ich glaube fest an die Kunst als Wachstum, und in diesem historischen Moment, in dem die klimatischen Anforderungen uns zwingen, unseren Lebensstil zu überdenken, lebe ich es als eine kontinuierliche und unaufhörliche Forschung. Ich bevorzuge ökologische Materialien, also ungiftig, ich arbeite mit Erde, Samen, Wasser, Gras, mit Objekten, die mit Lebensenergie aufgeladen sind, denen ich eine Form gebe, die sich im Konzept des Übergangs zusammenfassen lässt: der Vergänglichkeit.
Ich bin davon überzeugt, dass Kunst und Kultur den Planeten retten und die Welt verbessern können, und zwar durch eine tiefgreifende und scharfe soziale und zivile Analyse, die auf Empathie und Versöhnung mit der sozialen, politischen, ökologischen und spirituellen Ethik beruht.
In meinem Leben ist Kreativität die wichtigste Energiequelle, um die täglichen Herausforderungen und Freuden zu meistern. Ich betrachte mich als vielseitige Künstlerin, habe an einer Kunstakademie studiert und daher mit verschiedenen Techniken experimentiert, sowohl mit plastischen als auch mit malerischen. Meine Arbeit ist ein Dialog, der sich in zwei Sprachen gliedert, eine meditative, Textilien, Natur, Installationen und Performances... der von dem Bedürfnis ausgeht, den Menschen Themen näher zu bringen, die für mich wichtig und grundlegend sind, die das Bedürfnis beinhalten, das Leben zu bewahren und den Wunsch, Hoffnung zu säen...
Meine Hoffnung ist in einem Samen verkörpert.
Er ist heilig, weil er den Anfang allen Lebens darstellt, er verkörpert die Elemente des Lebens, in ihm sind wertvolle und einzigartige Informationen für das Wachstum enthalten. Das Saatgut ist eine "Bibliothek der genetischen Information". Jedes Samenkorn birgt die gesamte Evolutionsgeschichte in sich, es ist eine konzentrierte Botschaft, wie man wächst, lebt und stirbt, es ist das Leben-Tod-Leben-Zwischenspiel und enthält die Informationen für seine Replikation und Vermehrung.
In meiner Arbeit bin ich die Hüterin der Weisheit des Samens, durch Einfühlung fühle ich mich wie ein nackter "Samen", der in der Erde wartet, lauscht und Wurzeln schlägt, aus diesem Zustand heraus erwächst aus diesem Zustand entsteht das instinktive Bedürfnis nach Dialog mit mir selbst, ein Bedürfnis, das sich in Malerei verwandelt, in dynamische Bewegungen des Pinsels auf der Leinwand, die den Kopf leeren und den Lärm der Gedanken auslöschen, es sind oft nächtliche Arbeiten und haben als Grundlage die Suche nach dem Wesen, die ich in Bezug auf die Natur anwende, da ich versuche, das Unerreichbare zu erforschen, das Wesen der Natur, dieses Rätsel der Natur, das über den figurativen Aspekt der Formen hinausgeht, die sich in der sensiblen Erscheinung manifestieren, um stattdessen nach der Essenz von Lichtern, Schatten, Farben, den verschiedenen Andeutungen der natürlichen Welt in ihren verborgensten und geheimnisvollsten Nuancen zu suchen, versuche ich Atmosphären zu evozieren, die zum völligen Verblassen der Formen führen, in einer Verdünnung in der Atmosphäre in unendlichen Nuancen von schattierten tonalen Passagen.
Ich betrachte mich als Künstlerin in Bewegung, mit einem Ziel, das sich parallel zu meinen Fortschritten zurückzieht, meine Neugier und mein Arbeitsdrang führen mich immer wieder zu dem Bedürfnis, mit etwas Neuem zu experimentieren, und in all dem habe ich einen Charakter und einen Lebensstil geformt, der mir hilft, mit verschiedenen Rollen zurechtzukommen, zum Beispiel mit der einer Mutter.
Wie der Philosoph Cusano zu sagen pflegte, "geht alles auf den göttlichen Dunst zu", wie er es nennt, der im Extremfall nichts anderes wäre als ein Monochrom, in dem ein Blatt einem Stein gleicht und sich alles in Monochromen aus Licht und Farbe auflöst, das heißt das Wesen der Dinge.
Rita Lazzaro
Die Natur offenbart sich nackt,
ihr Fleisch missbraucht durch etliche unüberlegte Verstöße.
Zu diesem geschundenen Körper gehören auch wir;
und doch sehen wir es nicht: so bleiben wir dabei uns selbst auszulöschen.
Rita Lazzaro nimmt die wiederhallenden Echo der Hilfe auf,
die aus jedem Winkel kommen und wirft mit ihren Artefakten einen laut
mahnenden Aufschrei zu uns zurück,
auf das diese harmonische Schönheit des Universums sorgsam behütet werde.
Tatsächlich sind ihre Werke nicht passive Objekte, vielmehr aktive, quasi Subjekte,
die hinterfragen und zum Nachdenken anregen.
Es gibt einen Zauber, der diese wertgeschöpften "Kreaturen" beseelt, geschaffen
mit engelsgleicher Hingabe und echtem Feingefühl.
Rita umsorgt Erde und Menschheit und bewahrt, indem sie die Samen verstreut,
aus denen nutzwertige und blühende Hoffnung sprießen möge.
(Vorwort des Dichters)
Angelo Scandurra .
WIR Soziales Kunstprojekt, konzipiert und realisiert von der
italienischen Künstlerin Rita Lazzaro unter Beteiligung der Moerser
Bürger. Die Durchführung des Projekts wurde vom Kulturbüro
MKW_NRW unterstützt.
Verschiedene Künstler*Innen haben die Technik des Patchworks
genutzt, um ihre eigenen Werke, durch das Zusammenfügen von
Stoffresten, zu schaffen.
Eine Methode, angewendet für die ältesten Friedensfahnen, sowie
auch für die Werke vieler chilenischer Frauen in der Zeit der
Diktatur.
Nähen, um der Welt den Willen zu Frieden und Gerechtigkeit
auszudrücken und zum Wiedererlangen des Sinnes für das "nicht
wegwerfen, denn alles kann wieder nützlich werden”.
Die Fähigkeiten der Frauen, gebunden an Nadel und Faden, gaben
Mythen und Legenden ihren Ursprung...Ariadnes Faden, das
Totentuch der Penelope, die Parzen... es ist der Faden der
Erinnerungen, es ist der Reichtum der Kenntnisse der Frauen,
dessen Erinnerungen wir bewahren. Der Faden ist Lebenszeit.
Die Nadel ist ein Element, welches ermöglicht mittels den Faden,
etwas wieder zusammenzuführen, etwas wieder
zusammenzunähen, etwas wieder zu reparieren, was getrennt
wurde, wenn präzise, geduldige und wertvolle Arbeit gebracht wird.
Zu vielen Anlässen haben Frauen Stoffstücke genäht oder bestickt,
um affektive oder politische Beziehungen zu repräsentieren.
Das reicht von den Decken aus einzelnen Stoffstücken
zusammengesetzt und bestickt mit den Namen der an AIDS
verstorbenen, über die bestickten Tücher gegen Gewalt an Frauen
in der Region Chihuahua in Mexiko bis hin zu den Kopftüchern, die
getragen wurden, in den Protesten und den Kirchen der "Madres de
Plaza de Mayo" (Mütter des Platzes der Mairevolution).
Heutzutage sind Textil Art, Fiber Art, Knitting Art weitverbreitete
Begriffe in der Zeitgenössischen Kunst, zumal die weiblichen
Künste im Nähen, Sticken und Stricken und Häkeln zu üblichen
künstlerischen Praktiken geworden sind für viele Künstlerinnen.
An diesen Faden knüpft die Arbeit von Rita Lazzaro an. Die
Künstlerin, die in der deutschen Stadt Moers lebt, hat im Mai dieses
Jahres ein Projekt weitragender Bedeutung begonnen.
Sie hat, unterstützt vom städtischen Kulturbüro und über Soziale
Netzwerke, jeden Bürger der Stadt Moers um ein quadratisches
Stück Stoff aus alter Kleidung, der Kantenlänge 15cm, gebeten.
Aus diesen bis zu 105.000 Quadraten wird Rita Lazzaro eine
Patchwork-Installation verwirklichen, welche aus einem Kubus von
210 cm eine Seite besteht samt Läufern von 2x5 Metern.
Das Quadrat ist eines der ältesten Symbole, welches ich als die
Mutter betrachte.
Der Würfel (in der Originalfassung cubo) ist, geometrisch
betrachtet, die Seite des Quadrates hoch drei, und daher betrachte
ich ihn als "Mutter-hoch-drei" (im Original 'madre al cubo’).
Ich stelle mir gerne vor, dass in dem Würfel die Gefühle der
politischen wie affektiven Beziehungen wiederzufinden sind-wie
Mutter und Tochter.
Ich stelle mir vor, dass sich jede Person, die im inneren dieses
Patchwork-Würfels befindet, eingehüllt und behütet, gerade wie im
mütterlichen Bauch fühlt, und die Notwendigkeit empfindet, das
eigene Ich mit dem Wir zu verbinden, was symbolisch durch die
tausende Quadrate von der multiethnischen Gesellschaft kommend
repräsentiert wird, wie sie in Moers lebt.
Ein der Künstlerin wohl bekanntes "Wir", die bereits in einem
vorangegangenen Projekt auf einem Laken das Wort in
verschiedenen Sprachen gestickt hat. Rita Lazzaros Werke
betrachtend, kommen mir die Worte zweier Frauen in den Sinn, die
ich hier mal sinnbildliche Mütter nennen will: Anna del Bo Boffino
und Luce Irigaray.
“In besseren Momenten, wenn die Hoffnung nicht in Niederlagen
ertrinkt, schwebt mir eine Welt vor, in der alle lediglich vier,
höchstens jedoch sechs Stunden zu arbeiten haben; Männer wie
Frauen, Junge und Alte, welche allesamt gleichermaßen und von
klein auf in allem ausgebildet wurden ... Wissenschaft und Technik,
im Denken und im Schreiben, im Umgang mit der Erde und ihren
Früchten oder dem Meer, dem Himmel...wo man gleichermaßen
Kopf, Hände und auch sein Herz zu gebrauchen gelernt hat.”
(Zitat von Anna del Bo Boffino).
Ich bin überzeugt davon, dass nur ein Projekt, und zwar
irgendeines, das gemeinsam von Händen, Verstand und Herz
geschaffen wird, auch Absichten und Wissen, Austausch und die
Kultur, Bedürfnis nach Beziehungen nebst einem Gefühl von
Zugehörigkeit zur Welt vermitteln kann.
“Häufig werden Frauen in Ihre Schubladen gesteckt oder auf Ihr
Geschlecht reduziert, insoweit nützlich zur Fortpflanzung und für
die Bedürfnisse der Männer. Es ist wichtig, dass sie sich einen
eigenen äußeren Raum einrichten, wo sie hinein und aus sich
selbst heraus können, um sich als autonome, freie Persönlichkeit
zu entdecken.” Luce Irigaray.
Wer das große Patchwork von außen bewundert, sieht den groben
Anschein der Nähte und hat so eine Ahnung von der langen,
geduldigen Arbeit, der Anstrengung und dem Einsatz; im Inneren
dann erlaubt ein Gefühl von Geborgenheit und Frieden,
innezuhalten, an sich selbst zu denken, an die Menschen, welche
die Kleidung getragen haben, von der die Quadrate stammen, an
die Künstlerin, die eine Hülle genäht hat - ein Haus, in dem
Schlösser keinen Platz haben.
Eine offene Welt, welche symbolisch für jene so wichtige Utopie
einstehen kann, die mit den Worten umschrieben wird: "eine
andere Welt ist möglich".
Antonella Prota - Giurleo
(Künstlerin und Kunstkuratorin )
Samen zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine unendliche Anzahl sind, identisch zueinander,
unendlich teilbar.
Rita Lazzaros Samen werden durch Geist, Intellekt und Vernunft zum Prinzip des Lebens, das über
den physischen Dingen steht. Nichts wird geboren und nichts vergeht, Geburt und Tod sind
Begriffe, die der Mensch konventionell verwendet, um die Bewegung einer kontinuierlichen
Transformation, eines ständigen Werdens zu definieren.
Der Archetyp befindet sich im Inneren des Samens und jeder Samen enthält alle anderen
unendlichen Samen in unterschiedlichen Proportionen. Das bedeutet, dass in dem Samen, aus
dem der Baum entsteht, Eigenschaften stecken, die für das Korn, den Berg, den Fluss, das Tier, den
Menschen, ... bestimmt sind. So gibt es für jede sinnvolle Eigenschaft einen Samen, der die
Individualität der Gattung "alles ist in allem" diversifiziert.
Beim Betrachten der Werke von Lazzaros wird der Gedanke deutlich, der das Schicksal des
Menschen mit dem der Pflanzenwelt verbindet. Wie Pflanzen bestehen auch wir aus
Gefäßgewebe, aus einem Mark, das uns erlaubt, aufrecht zu stehen und in den Himmel zu streben.
Unsere Position ist in der Erde verwurzelt und sehnt sich nach dem Kosmos.
Es ist eine geistige Operation, die der Künstler durchführt: jeder Gedanke ist ein Same, und beide,
wenn sie fruchtbar sind, enthalten in sich selbst ihre eigene Nahrung.
Denken und Talent sind Eigenheiten des Menschen, aber heute sind unsere Gedanken unfähig,
Wurzeln zu schlagen, verloren in der Zeit, im Lärm, der uns umgibt, unfähig, einen fruchtbaren
Boden zu finden, einen Schimmer von Bedeutung, Wahrheit und Fundament.
Um die Zeit zu verstehen, um ihre tiefste Bedeutung zu begreifen, anstatt sie zu interpretieren, ist
es notwendig, das Ego vor allem anderen auszuziehen, sich auszuziehen und zu warten, zu warten
und zu lauschen.
Für den Künstler repräsentiert das Samenkorn die Existenz in der Zeit, das Wurzelnschlagen. Und
Verwurzelung impliziert Wasser, die Quelle des Lebens: Dort, im Wasser des Mutterleibs, beginnt
das Leben eines jeden von uns den Weg des Wachstums. Es ist der Anstoß, uns selbst in dieser
Dualität Mensch-Pflanze zu finden, einer der Schlüssel, um das Schloss der Selbsterkenntnis zu
öffnen, so dass das, was wir kommunizieren, schließlich zu einem fruchtbaren Samen wird, der sich
aus einem im Boden verankerten Spross entwickelt und sich im Universum entfaltet.
Stefania Reitano
(Artist and art history assistant Academy of Fine Arts of Catania)
Her role models are especially the everyday themes that she has
with the result of a very personal and high quality added value.
added value.
Her artistic experience,situated between two-dimensionality and three-dimensionality
three-dimensionality, ready for reflection and analysis at any time, takes
motivation of cultural history and her own life experience.
life experience.
But always in the sense of art.
Tano Brancato
(Artist and Professor at the Academy of Fine Arts in Catania)